Ernst Samuel Jacob Borchward
oder Versuch über eine Freundschaft in der Epoche der Empfindsamkeit
Für René Thorsten Karberg
Die vermutlich wichtigste Quelle zu Borchwards Leben ist heute verloren: »Nachricht von dem Leben und Charakter des Herrn Samuel Jacob Borchward, königl. Preuß. Hofraths« (Salzwedel 1777) von Joachim Georg Hoppe. Zwei Exemplare, die sich früher im Bestand der Preußischen Staatsbibliothek Berlin befanden, sind Kriegsverluste, ihr Verbleib ist unbekannt. SBB PK, Sign. Pb 8256 (1. Ex.) und 3 in: Sx 996 (2. Ex.). – Frau Franziska Windt sowie Herrn Jürgen Luh danke ich für die Initiative zu dieser Veröffentlichung. Herrn Peter Huth, Berlin, Frau Michaela Starke, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Bestandsentwicklung, Digitalisierungszentrum, Frau Peters und Herrn Christian Heppner, Stadtarchiv Hannover, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Staatsarchivs Bamberg, des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, der Bibliothek des Instituts für Musikforschung und der Zentralbibliothek der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg danke ich für Ihre Unterstützung. Frau Veronica Biermann-von Mauchenheim gen. Bechtolsheim, Frau Caroline Freifrau von Mauchenheim gen. Bechtolsheim-Biermann und Herr René Karberg ermöglichten dankenswerterweise meine Forschungen in Berlin. Weitere Exemplare sind weder nachweis- noch auffindbar. Zumindest wurden aus einem der beiden Exemplare der Staatsbibliothek für den inhaltsarmen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie Geburts- und Todesdatum übernommen. Darüber hinaus war augenscheinlich niemand ausreichend an Borchward interessiert, um eine detaillierte Auswertung dieser posthumen Lebensbeschreibung zu unternehmen oder einen Nachdruck oder Kopien davon der Nachwelt zu erhalten. Er war eben einer unter vielen. – Oder vielleicht doch mehr als nur das?
Geboren wurde Ernst Samuel Jacob Borchward am 27. Februar 1717 in Berlin. Für die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens fehlt es bisher an aussagekräftigen Dokumenten. Somit sind keine näheren Angaben über seinen Bildungsgang möglich. Ebenso bleibt ungewiss, wie seine Berufung zum Residenten für die Markgraftümer der fränkischen Hohenzollern in Berlin zustande kam. Am 24. Dezember 1746 meldete er dem Bayreuther Markgrafenpaar seine Akkreditierung als markgräflicher Resident.
GStA PK, BPH, Rep. 43 V Markgraf Friedrich, G Nr. 4 (Verschiedene Forderungen des Hauses Kulmbach an das Haus Brandenburg, 1741–1748), [nicht foliiert] Prod. 47/39, Prod. 49/41. – Über Borchwards Tätigkeit in gleicher Eigenschaft für den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach fehlen bislang Quellen.
Vorrangig war Borchwards Aufgabe, ältere Schuldforderungen des Hauses Brandenburg-Culmbach an das brandenburg-preußische Kurhaus geltend zu machen. Seit 1603, dem Jahr, in welchem das Markgraftum Brandenburg-Culmbach (seit 1604 von Bayreuth aus regiert) begründet wurde, hatten sich die Forderungen auf einen Betrag von 62316 Reichsthaler summiert.
Vgl. das Schreiben der markgräflich-brandenburg-culmbach-bayreuthischen Geheimen Räte an Markgraf Friederich zu Brandenburg-Culmbach-Bayreuth, Bayreuth, 31. Januar 1743, mit beigefügtem »Prætensionsplan« GStA PK, BPH, Rep. 43 V Markgraf Friedrich, G Nr. 4, Prod. 12/5.
Aus dem Zeitraum von Mitte März bis Anfang Juli 1747 sind sechs Briefe erhalten geblieben, in denen Borchward über den Fortgang der schwierigen Verhandlungen berichtet. Insbesondere die Zähigkeit der zuständigen Minister und Räte am Berliner Hof scheint dem Bayreuther und Ansbacher Residenten erhebliche Schwierigkeiten bereitet zu haben. Und er befürchtete offenbar, dass seine Berichte nach Bayreuth unterwegs abgefangen würden. Gegenüber einem Minister und Mitglied des Bayreuther Geheimen Rates bekannte er:
»Und wie ist es mir also zu verdencken, daß ich etwas schüchtern thue, und meine Correspondentz so vorsichtig, als möglich, einrichte? ich schmeichle mir, an Ew[er] Excell[enz] einen wahren hohen Gönner zu haben, gegen welchen ich mich dreist erklären, und für den ich mein Hertz freÿ ausschütten darf. Und diß habe ich auch dißmahl zu thun, mich unterthänig erkühnet.«
Ernst Samuel Jacob Borchward an einen ungenannten Minister [Fragment, ohne Datum (März 1748?)] GStA PK, BPH, Rep. 43 V Markgraf Friedrich, G Nr. 4, Prod. 77/66.
Anderen Korrespondenten gegenüber zeigte sich Borchward ebenfalls schnell bereit, sein »Hertz freÿ« auszuschütten. Insofern zeichnen ihn seine »Herzensergießungen« als einen typischen Vertreter der Empfindsamkeit aus. Dem Freundschaftskult dieser Epoche lebte er allzu gerne nach. In der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin gehörte er bald einer Gesellschaft an, deren Mitglieder sich für zeitgenössische Literatur (in Prosa und Poesie), Musik und bildende Kunst interessierten. In dieser Gesellschaft wurden Werke deutscher und ausländischer, vor allem französischer, Autoren gelesen und besprochen. Zuweilen traten Mitglieder solcher Kreise auch mit eigenen Werken hervor. Als Verfasser von schöngeistigen Aufsätzen und von Gedichten kam Borchward möglicherweise die herausgehobene Stellung eines primus inter pares zu. Dabei meint pares die vermutlich als Gastgeber und Förderer der Gesellschaft fungierenden Angehörigen der höheren Beamtenschaft und des königlichen Hofes, deren finanzielle Mittel in einigen Fällen nachweislich vor allem in Berlin lebenden Künstlern, Musikern und Literaten zugute kamen. Vgl. beispielsweise den Brief von Ewald von Kleist an Wilhelm Ludwig Gleim ([Potsdam] 20. Juni 1750), abgedruckt in: Kleist, Werke, Teil 2, 1882, S. 173–177 (Nr. 94), hier S. 175. Zumindest erweckt Borchward in seinen Briefen an Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) den Eindruck, er wäre Wortführer der um ihn gescharten Gesellschaft. Siehe den ersten Brief von Ernst Samuel Jacob Borchward an Christian Fürchtegott Gellert (Berlin, 6. Dezember 1748), abgedruckt in: Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 29–33 (Nr. 29) und S. 297. Gellert war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter der damaligen Zeit. Und sein Aufsehen erregender Roman »Das Leben der Schwedischen Gräfin von G***« (1747/48) veranlasste denn auch den Residenten und Hofrat zu seinem ersten Brief an den verehrten Dichter. Der Briefwechsel datiert von Dezember 1748 bis Februar 1766, mit längeren Unterbrechungen. In Ermangelung der eingangs genannten Lebensbeschreibung sind diese Briefe die wichtigste Quelle zu Biographie und Persönlichkeit Borchwards. Aus dessen Brief vom 20. April 1751 (aus Berlin) an Gellert geht hervor, dass er seit ca. 1745 verheiratet gewesen ist. E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 20. April 1751); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 78–81 (Nr. 64), hier S. 80. Die Ehe blieb kinderlos. Dafür hatte er für die Erziehung einer jungen – vielleicht früh verwaisten – 15-jährigen Nichte Sorge zu tragen. Auch ein Diener gehörte zu Borchwards Haushalt. E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 28. April 1750); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 47–48 (Nr. 45), hier S. 47. Vgl. auch seinen Brief vom 2. April 1754 (aus Berlin); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 182–189, hier S. 183.
Soweit der Briefwechsel zwischen Gellert und Borchward überliefert ist, bezeugt er im Laufe von zweieinhalb Jahren ein sich intensivierendes menschliches Interesse der beiden Brieffreunde aneinander – selbst bei einer anscheinend geringeren Frequenz des schriftlichen Austauschs. So äußert Borchward in seinem (bereits erwähnten) Brief vom 20. April 1751 den Wunsch, Gellert persönlich kennen zu lernen, vorzugsweise in Berlin.
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 20. April 1751); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 78–81 (Nr. 64), hier S. 80–81.
Einen Monat und vier Tage später antwortete Gellert:
»Jede Zeile ist voll von Freundschaft und Liebe gegen mich, und alles ist Sprache eines gütigen und edlen Herzens. Wollte Gott, daß ich Ihrer Gewogenheit in ihrem ganzen Umfange werth wäre! Ich will mich bemühen, sie zu behaupten, und Sie durch Erkenntlichkeit nöthigen, der Freund gegen mich zu bleiben, der Sie aus einem geheimen Zuge der Natur geworden sind. In Wahrheit, Herr Hofrath, ich bin ein glücklicher Mensch.«
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 24. Mai 1751), Stadtarchiv Hannover: StadtAH Autographenslg., Cul., Akz. 1913.403, pag. 41; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 81–82 (Nr. 65), Zitat S. 81.
Zumal angesichts dieses glücklichen Zustandes sowie »der größten Sehnsucht« seinerseits,
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 20. April 1751); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 78–81 (Nr. 64), Zitat S. 82.
hoffte Gellert auf eine schnelle Gelegenheit zu einer Reise in die königlich-preußische Hauptstadt. Und diese Gelegenheit konnte er sehr viel schneller als erwartet wahrnehmen: Laut einem Empfangsvermerk Borchwards, erhielt er diesen eben zitierten Brief aus Gellerts eigenen Händen, am 2. Juni 1751, in Berlin überreicht.
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 20. April 1751); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 78–81 (Nr. 64), S. 321.
Doch der Schutz der allein per Brief gepflegten Freundschaft bewahrt die sich »Freund« Nennenden vor jenen Enttäuschungen, welche der persönliche Umgang mit dem idealisierten Korrespondenzpartner verursachen kann. Die Begegnung von Angesicht zu Angesicht birgt schnell die Gefahr, dass neben den im Schriftverkehr so günstig wirkenden Zügen auch weniger angenehme Eigenschaften hervortreten. Und so kam es, dass der Besuch im Hause Borchward, im preußischen Berlin, bei dem sächsischen Dichter einen ausgesprochen bitteren, unangenehm erregenden Nachgeschmack hinterließ. Und auch wenn der Gastgeber selbst ohne Schuld daran blieb, scheint sich in den nachher gewechselten Briefen doch zumindest auf Seiten Gellerts einige Distanziertheit zu äußern. Den Anlass dazu gab die Konversation der übrigen anwesenden Gäste, welcher sich der Dichter schutzlos ausgesetzt sah. In fragmentarischen Aufzeichnungen über seinen Berlin-Besuch hielt Gellert fest, das Gespräch sei auf die Schlacht bei Kesselsdorf gekommen, die für die Sachsen fatal gewesen ist.
Ebd.; Gellert, Abhandlungen, 1994, 1994, S. 313–341, hier S. 316 (u. 456). Siehe dazu (und zum Folgenden) auch: Neumann 2009, S. 83–84.
Als sächsischer Patriot fühlte er sich »gedemüthiget«! Ob ihn auch kränkte, dass der Brieffreund anscheinend jegliche Beistandsbekundungen unterließ? Wie tief Gellert sich verletzt fühlte, verraten seine Aufzeichnungen – dennoch bekundete er in seinem ersten Brief an Borchward nach dem Berlin-Aufenthalt, der größere Teil seiner Erinnerung gelte den erhaltenen Ehrungen.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 15. Oktober 1751); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 90 (Nr. 75).
Borchward hin gegen musste dem Dichter mitteilen, er habe aufgrund von Verleumdungen, einer »Hoff-Intrigue, und heimliche[r] Feinde« am 9. Juli 1751 seinen Posten als Resident des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach verloren. Zuversichtlich voraus blickend, machte er trotzdem das Beste aus seiner Situation:
»Gegenwärtig genieße ich viel mehr als vorher, der süßen Früchte eines stillen Privat=Lebens. Ich theile jetzt meine Zeit fast gantz
Diese beiden Wörter sind über der Zeile eingefügt.
mit denen Musen, mit der Erziehung meiner jungen Anverwandtinn, mit einer Ertzlieben Frau, und mit ausgesuchten Gesellschafften. Doch vergeße ich auch nicht meinem gnädigsten Fürsten zu Baÿreuth, nach wie vor treu zu dienen. Wie | gefällt Ihnen diß Leben, liebster Freund? Auch dencken wir fleißig an Sie, Herr Profeßor, wir lieben Sie immer stärcker, und hoffen aus allen Kräfften, daß Sie auch auf den nahen und arbeitsamen Winter, für unser Vergnügen sorgen, und uns bald wieder etwas Schönes von Ihrem Fleiß werden lesen laßen.«
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 30. Oktober 1751), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Sondersammlungen, Mscr. Dresd. fa Nr. 8, pag. 57–64, Zitat pag. 63-64; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 90–92 (Nr. 76), Zitat S. 92, voriges Zitat S. 91.
Mitte Mai 1753 schickte Borchward an Gellert zwei eigene »poetische Erzählungen«. Wie Borchward schildert, ging der Inhalt dieser beiden kleinen Geschichten auf persönliche Erlebnisse während eines Besuches bei »Verwandte[n] auf dem Lande« zurück.
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 14. Mai 1753); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 146–149 (Nr. 122), Zitate S. 147.
Von jeweils dreiwöchigen Aufenthalten in Annaberg und zur Kur in Karlsbad (Karlovy Vary, heute: Tschechische Republik) nach Leipzig zurückgekehrt, fügte Gellert eine konzise Kritik der beiden Erzählungen in seinen Antwortbrief ein:
»Sie sind in vielen Stellen sehr naif u[nd] schön; in manchen scheinen sie mir etwas weitläuftig. Kurz[:] in den Augen guter Freunde u[nd] in den Händen guter Freundinnen sind sie des größten Beÿfalls werth. Dennoch behaupte ich, daß Ihre Poesie nicht so viel gefallendes hat, als Jhre Prosa; vermuthlich ist die Schwierigkeit des Verses, die Sie zu übersteigen suchen müssen, die Ursache dieses Mangels.«
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 22. Juni 1753), Stadtarchiv Hannover: StadtAH Autographenslg., Cul., Akz. 1913.403, pag. 60; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 150–151 (Nr. 124), Zitat S. 150.
Kurz vor Weihnachten 1753 antwortete Gellert auf einen Brief von Borchward, dem Freund in Berlin die Besserung seines melancholischen und hypochondrischen Zustands in wenigen Zeilen und doch eindrucksvoll schildernd. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 19. Dezember 1753); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 164–165 (Nr. 138). Der vorausgegangene Brief von Borchward ist verschollen. Zeitweilig überwandt Gellert seine Hypochondrie, und während des Jahresbeginns 1754 stellte er eine Sammlung von »Oden und Erzählungen« zusammen, die etwas ältere (bis dahin unveröffentlichte) sowie eigens für die geplante Publikation geschaffene Werke vereinte. Ein druckfrisches Exemplar schickte Gellert am 23. März an Borchward. Gellerts Zeilen verraten die Begeisterung über das Ergebnis seiner kurzzeitig wiedererlangten Schaffenskraft. Neben dieser Begeisterung äußert der Dichter jedoch zugleich eine Mischung aus Resignation und Duldsamkeit, angesichts der erneut auftretenden kränklichen Zustände. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 23. März 1754); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 176–177 (Nr. 152). In einem ausführlichen Brief entsprach Ernst Samuel Jacob Borchward der Bitte von Gellert, ihm sogleich nach der Lektüre des ganzen Buches seine Gefühle zu schreiben. E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 2. April 1754); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 181–189 (Nr. 158). Seine Schilderungen der Reaktionen – sowohl von seiner Frau Henriette als auch seine eigenen – bietet Borchward dem literarischen Freund in Momentaufnahmen dar. Diesen Momentaufnahmen stellte er eine Beschreibung eher alltäglicher privater Umstände voran, worauf noch einmal zurückzukommen ist.
Herzlich erfreut, dankte Gellert dem Freund sechs Tage später.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 8. April 1754); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 190–191 (Nr. 160).
Bis auf einen sind die Briefe, welche Borchward nach April 1754 bis 1766 an Christian Fürchtegott Gellert richtete, verschollen. Somit lassen sich die Themen der brieflichen Konversation zwischen den beiden Freunden nur aus Gellerts erhaltenen Schreiben erschließen.
Auch von den Briefen Gellerts an Borchward werden einige verloren gegangen sein.
So tauschten sie sich während des Winters 1754 offenbar über zeitgenössische englische Romane aus.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 6. November 1754); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 205–206 (Nr. 179) und (Leipzig, 4. Dezember 1754) S. 208 (Nr. 184).
Bis in die zweite Oktoberhälfte 1755 ruhte der Briefwechsel. Vermutlich als Antwort auf einen Brief von Borchward schrieb Gellert am 24. Oktober jenes Jahres und fügte eine Sammlung von 31 geistlichen Liedern bei.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 24. Oktober 1755); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 253–254 (Nr. 227).
Borchward möge auch darüber seine Gedanken eröffnen und die Sammlung (offenbar als Manuskript vorliegend) wieder an Gellert zurückschicken – ohne etwas daraus abzuschreiben. Es spricht für das Vertrauen, das der Dichter in den Freund in Berlin setzte, wenn er ihm diese Gedichte vor der Veröffentlichung zur Lektüre überließ. Denn nur zwei andere Brieffreunde Gellerts bekamen ebenfalls die Gelegenheit, diese später zur Vertonung bestimmten Texte zu lesen. Zwei Monate später dankte Gellert Borchward für seine Lob und Tadel enthaltenen Bemerkungen zu den geistlichen Liedertexten.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 22. Dezember 1755); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, S. 262–263 (Nr. 236).
Dabei deuteten sich offenbar abweichende religiöse Auffassungen an. Gellert thematisiert diese unterschiedlichen Auffassungen nochmals Anfang des Jahres 1756.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 3. Januar 1756); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 1–2 (Nr. 249). – Deutlich kritischer als Gellert bezog Johann Adolf Schlegel (1721–1793) Stellung gegenüber Borchwards Bemerkungen zu inhaltlichen Aspekten von Gellerts Liedern, nachdem Gellert den Brief von Borchward an »Bruder« Schlegel geschickt hatte; siehe den Brief von J. A. Schlegel an C. F. Gellert (Zerbst, 24. Februar 1756); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 36–38 (Nr. 277).
Demnach kritisierte Borchward anscheinend, dass Gellert zu sehr vom wörtlichen Bibeltext abwiche, besonders wenn er auf Jesus Christus Bezug nähme. Doch das treffende Urteilsvermögen hinsichtlich poetisch-formaler Aspekte, für das Gellert Borchward nachdrücklich rühmte (und das auch Schlegel anerkannte), hatte Gellert derartig überzeugt, dass er nochmals 26 geistliche Lieder nach deren vorläufiger Vollendung in die preußische Hauptstadt schickte.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 9. Juni 1756); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 46–47 (Nr. 289).
Wie der Leipziger Professor gegenüber dem preußischen Hofrat später erwähnte, waren Borchwards Bemerkungen auch – neben anderen – ausschlaggebend dafür, die Lieder doch bald zu veröffentlichen.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Bonau, 23. April 1757); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 108–110 (Nr. 348), hier S. 109.
Denn hatte der Dichter kurz vor Weihnachten 1755 die Absicht einer Veröffentlichung (zumindest zu Lebzeiten) noch kategorisch in Abrede gestellt, so sandte er trotzdem am 21. März 1757 ein Exemplar der gedruckten »Geistliche[n] Oden und Lieder von C. F. Gellert« an den Bayreuther Residenten am preußischen Hof.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 21. März 1757); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 95 (Nr. 335); vgl. auch den in Anm. 26 zitierten Brief, dort S. 263.
Mitte April dankte Borchward herzlich und überschwänglich für die geistlichen Lieder.
E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 15. April 1757), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Sondersammlungen: Mscr. Dresd. fa. Nr. 12, pag. 85–92, Zitat pag. 87–88; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 103–106 (Nr. 345), Zitat S. 104, die Angaben zu den Beiträgen für moralische Wochenschriften S. 105. Dies ist der letzte erhaltene Brief von Borchward an Gellert.
Im Jahr zuvor hatte der Siebenjährige Krieg begonnen. In den Kriegszeiten, so Borchward, seien Gellerts »Geistliche Oden und Lieder« ein wahrer Trost. Borchward beschreibt, wie er bei Johann Wilhelm Bergius (1713–1765), Hofrat, einem vertrauten Freund, auf diese Neuerscheinung von Gellert aufmerksam wurde. Borchwards Zeilen verraten eine gewisse Neigung zur Ironie:
»Sobald Er [= Bergius] mich gewahr ward, schlüpffte Er mit einer eintzelnen gedruckten Pieçe schalkhafft in den Busen, u[nd] wollte mir selbige lange nicht zeigen. | ich ward dadurch sehr aufmercksam gemacht, und zwang Ihn freundschafftlich: endlich damit hervorzurucken. Zween Schuhe, und 2 Zoll, sprang ich, meiner 40 Jahre vergeßend, jugendlich für Freuden in die Höhe, als ich meines lieben Gellerts geistl[iche] Lieder unvermuthet erblickte. Meines treuen Freundes mir hertzlich lieben Kinder, die wie die Orgel=Pfeiffen um mich herumstanden, und mich als ihren Vice=Vater lieben; erstaunten etwas darüber, daß Ihnen ein Mann mit Runtzeln im Gesichte, im Hüpffen ähnlich ward. ich merckte es; schämte mich nicht,
Diese Wörter sind über der Zeile eingefügt.
und erklärte ihnen auf eine lebhaffte Art, die Ursache dieser 20jährigen Bewegungen. Und siehe! sie hüpfften mit; denn auch sie lieben einen Gellert, und können deßen Fabeln meist auswendig. Bald hätte der leibl[iche] Vater es eben so gemacht; allein er faßte sich der väterlichen
Dieses Wort ist über der Zeile eingefügt.
Mode gemäß, und nur Sein Hertz hüpffte innerlich in der Stille.«
Nachdem er auch die »schnackische« Reaktion seiner Frau Henriette über Gellerts neueste Veröffentlichung mitgeteilt hat, erwähnt Borchward dem Dichter gegenüber einige Beiträge, die er selbst, in jüngerer Zeit, in moralischen Wochenschriften veröffentlichen ließ. Er fügt hinzu, er fände an Gedichten von Christoph Martin Wieland (1733–1813) weniger Gefallen. Er wirft dem jüngeren Dichter einen schwülstigen Stil, Getändel und Unnatürlichkeit vor.
In seinem Antwortbrief dankt Gellert einmal mehr überschwänglich für die empfindsamen Freundschaftsbekundungen aus Berlin. Er relativiert Borchwards Bemerkung über Wielands Gedichte, indem er dem jüngeren Dichter einiges Talent bei der poetischen Umschreibung von Gefühlszuständen zuerkennt. Er lehnt jedoch – wie auch Borchward Siehe die in Anm. 26 und Anm. 27 zitierten Briefe. – offenbar die in Wielands Wortwahl zum Ausdruck kommende religiöse Haltung ab. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Bonau, 23. April 1757); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 108–110 (Nr. 348), hier S. 109. Erst vom 9. März 1758 ist ein weiterer Brief von Gellert an Borchward überliefert. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Bonau, 9. März 1758); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, S. 154–156 (Nr. 398). Der Dichter berichtet darin, wie ein Aderlass ihn vor einer tödlichen Krankheit bewahrt und wie er während seines Krankenlagers den Schlachtenlärm aus dem nahebei liegenden Roßbach (7. November 1757) wahrgenommen habe. Für die folgenden zwei Jahre und zehn Monate weist der erhaltene Briefwechsel eine Lücke auf. Aus Leipzig schreibend, vermittelt Gellert am 10. Januar 1761 seinem Adressaten einen Eindruck von seiner Unterredung mit König Friedrich II. »dem Großen« (1712–1786; reg. seit 1740). Laut Gellerts Äußerungen lobte der König dessen Werke. Sollte das königliche Lob aufrichtig gewesen sein, konnte Gellert sich tatsächlich viel darauf einbilden, denn Friedrich II. stand der deutschen Sprache und Literatur bekanntlich reserviert, ja ablehnend gegenüber. Dabei soll die Konversation just »die schönen Wissen schaften u[nd] deutsche Litteratur und Cur meiner [Gellerts] Hypochondrie« berührt haben. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 10. Januar 1761); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 3 (1760–1763), 1991, S. 92–93 (Nr. 620), Zitat S. 92. Aufzeichnungen von diesem Gespräch erschienen bald darauf im Druck, zusammen mit vertrauten Briefen. Gellert zeigte sich Borchward gegenüber sehr erschrocken darüber, denn die Veröffentlichung geschah ohne sein Einverständnis. C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 21. April 1761); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 3 (1760–1763), 1991, S. 131 (Nr. 655). – In einem vorangegangenen Brief an Borchward (Leipzig, 11. April 1761) ging es offenbar um eine finanzielle Transaktion; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 3 (1760–1763), 1991, S. 125–126 (Nr. 649).
Wiederum klafft eine Lücke in der überlieferten Korrespondenz zwischen Gellert und Borchward: Der letzte (erhaltene) Brief des Dichters an den markgräflich-bayreuthischen Residenten in Berlin datiert aus Leipzig, vom 18. Februar 1766.
C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Leipzig, 18. Februar 1766); Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 4 (1764–1766), 1996, S. 152–153 (Nr. 983).
Borchward hatte dem Dichter ein Exemplar eines Berliner Gesangbuches geschenkt, das drei Texte enthält, welche Borchward selbst gedichtet hatte. Neben seinem oberflächlichen Lob für das Gesangbuch insgesamt, das er jedoch bezüglich der drei Lieder seines Brieffreundes deutlich nachdrücklicher formulierte, tadelte Gellert allerdings Borchwards anscheinend eigenwillige Auffassung davon, was der Gattung Kirchenlied zuzurechnen sei. Um sich für Borchwards Gabe erkenntlich zu zeigen, schickte er ihm einen Raubdruck einer kurzgefassten Abhandlung über die Moral, deren Inhalt auf Gellerts Vorlesungen basierte. Mit diesem Schreiben versiegt die gegenwärtig wichtigste Informationsquelle zur Biographie von Ernst Samuel Jacob Borchward. Aus Berliner Adresskalendern der Jahre um 1765 geht hervor, dass er nach wie vor als Resident des Markgrafen zu Brandenburg-Culmbach-Bayreuth und mittlerweile auch als preußischer Hofrat am preußischen Königshof tätig gewesen ist.
Frau Franziska Windt danke ich für entsprechende Hinweise.
Nach dem Tod von Markgraf Friederich (1711–1763; reg. seit 1735) hatte dessen Onkel und Nachfolger Markgraf Friederich Christian (1708–1769; reg. seit 1763) Borchward in seiner Position als Resident in Berlin »huldreichst« bestätigt.
Dazu und zum Folgenden siehe den Brief von E. S. J. Borchward an Markgraf Friederich Christian zu Brandenburg-Culmbach-Bayreuth (Berlin, 3. Mai 1767): Bayerisches Staatsarchiv Bamberg: Markgraftum Brandenburg BT, Geheime Landesregierung, Nr. 3473. Aus diesem Brief sind auch die Zitate entnommen.
Ebenso genehmigte der neue Bayreuther Landesherr Borchwards »ehemahliges jährliches Gehalt â 250 r[eichs]th[a]l[e]r, oder 300 Gulden fränckisch, unter Höchstdero eigenhändigen Unterschrifft«. In einem privaten Schreiben vom 30. Juni 1763 hatte Kammerrat Vogel Borchward mitgeteilt, dass ihm sein Gehalt »im verfloßenem Jahre […] bis auf 160 fl[orin] [Gulden] fränck[isch] abgestrichen worden« sei. Dies wäre Borchward bisher mit keinem vom Markgrafen eigenhändig unterschriebenen Dekret angekündigt worden, weshalb er auf der weiteren Auszahlung seiner gewohnten Besoldung bestünde. Ferner begründet Borchward seine Bitte wie folgt:
»ich habe, gnädigster Fürst und Herr!, dem Hochfürstl[ichen] Hause nunmehro in die 22 Jahre treu u[nd] devotest gedient, in vorigen Zeiten Gelegenheit gehabt, einige Auffträge von Wichtigkeit mit gutem Success auszuführen; – ich habe durch den langen und schweren Krieg von 1756 bis 1763 an meinem eigenem kleinem Vermögen sehr gelitten, | leide auch noch sehr durch die Fortdauer der schweren Zeitläuffte, und durch einen vorgefallenen Familien=Trauer [ergänze: Fall] welcher starcke Ausgaaben erfordert hat; – auch habe ich auf den Abtrag meiner Herrschafftl[ichen] Besoldung so wohl, als auch meines baaren Brieff=Porto=Vorschußes, und anderweitig=gethanen Auslaagen, vom 3t[en] quartal 1763, bis jetzt, warten müßen.«
Es ist keine Reaktion seitens des Markgrafen auf die Bittschrift seines Berliner Residenten bekannt. Nach bisherigem Kenntnisstand ist der zitierte Brief das letzte Lebenszeichen von Borchward. Am 10. Juli 1776 starb Ernst Samuel Jacob Borchward in Berlin.
Abschließend ist kurz auf Borchwards Verhältnis zur Musik einzugehen. In seinem oben bereits erwähnten Brief vom 2. April 1754 beschreibt er Gellert einige seiner privaten Alltagsumstände. E. S. J. Borchward an C. F. Gellert (Berlin, 2. April 1754), Stadtarchiv Hannover: StadtAH, Autographenslg., Cul., Akz. 1913.403, pag. 124; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 1 (1740–1755), 1983, Zitat S. 183. Diese Schilderung enthält Borchwards einzige Äußerung über seine eigene musikalische Betätigung: »Nach geendigter gesunden und zufriedenen Mahlzeit, weyhete ich meinem Clavier ein Stündchen«. Bemerkenswerterweise komponierte Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) eben im Jahre 1754 die ersten vier seiner musikalischen Portraits (oder Pièces charactèristiques): Neben La Gause, La Pott, La Boehmer auch La Borchward (H. 79 / Wq. 117,17). Berg 1988, S. 1, eine Beschreibung von La Borchward auf S. 8. – Ergänzend siehe: Edler 1986; Allihn 1998. – Zu dem femininen Artikel La ist im Geiste das Nomen Pièce (Stück) zu ergänzen. In der Vergangenheit verführte es dazu, als Vorbild der musikalischen Portraits die jeweilige Ehefrau zu vermuten (Frau Barbara Wiermann [Bibliothek der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«, Leipzig] danke ich für ihre freundlichen Hinweise). Bachs musikalische Portraits für Klavier deuten darauf hin, dass er Mitglied jener kulturell vielseitig interessierten Gesellschaft gewesen sein könnte, die Borchward zu seinem Briefwechsel mit Gellert veranlasst hatte. Ihr gehörten auch einige namhafte Musiker aus der königlichen Kapelle an. Berg 1988, S. 28–30, bes. S. 29. Dass der am königlichen Hofe als Cembalist dienende Carl Philipp Emanuel Bach und Ernst Samuel Jacob Borchward miteinander befreundet waren, belegt eine Äußerung von Gellert in seinem Brief an Borchward vom 9. März 1758: »Wegen der Freude über meine componirten Lieder verweise ich Sie auf den Brief an den trefflichen Bach, Ihren Freund. Jch schmachte nach einem geschickten Manne, der sie mir vorspielt, itzt noch vergebens auf dem Lande. Aber vielleicht ist der Period meiner Rückkehr nach Leipzig näher, als ich denke.« C. F. Gellert an E. S. J. Borchward (Bonau, bei Roßbach, 9. März 1758), Stadtarchiv Hannover: StadtAH, Autographenslg., Cul., Akz. 1913.403, pag. 124; Gellert, Briefwechsel, 1983–1996, Bd. 2 (1756–1759), 1987, Zitat S. 155–156. Darrell M. Berg vermutete: »Borchward, like Krause, was an amateur composer, and Bach may have advised him formally or informally.« Berg 1988, S. 31. Der zweite Teil dieser Mutmaßung ist im Hinblick auf Borchwards Betätigung als Klavierspieler möglicherweise gerechtfertigt: Bach könnte den Hofrat unterrichtet haben, wobei sich ganz zwanglos eine freundschaftliche Annäherung ergeben haben mag, die letztlich in La Borchward ihren verewigenden Ausdruck fand. Der erste Teil von Bergs Annahme geht auf eine irrige Lesart einer Widmung an Borchward zurück. In der Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin befindet sich eine anonyme Sonate (G-Dur) für Cembalo und Violine, die ausdrücklich E. S. J. Borchward zugeeignet ist. Schwinger 2006, S. 259 und 344 (Signatur: M. Th. 252). Allerdings wurde das französische pour (für) in der Vergangenheit auch als par (von) gelesen, weshalb Borchward vom Schriftsteller zum »amateur composer« wurde. Leider bleibt ohne Kenntnis des (ungenannten) Komponisten offen, ob auch die Cembalosonate mit Violinbegleitung als Freundschaftsgabe gedacht gewesen ist. Zusammen mit dem Stück von Bach sollte sie zumindest den Namen eines Exponenten der empfindsamen Epoche und ihres Freundschaftskultes vor dem Vergessen bewahren. Noch mehr mag dies vielleicht seiner bisher unveröffentlichten und unbeachteten »Beschreibung derer ienigen Merckwürdigkeiten, die ich beÿ einer, den 4t[en] Maÿ 1749 angestellten, Reise nach Potsdam in Augenschein genommen« vorbehalten sein. Auch sie ist schließlich ein Produkt jenes Freundschaftskultes – hatte Borchward sie doch ausdrücklich in der »Nach-Erinnerung« »Zum Vergnügen und Dienst meiner Freünde« bestimmt: »Andere als meine vertraute und ächte Freünde, die diesen Aufsatz zu Gesichte bekomme[n] dürfften, werden selbigen seiner Absicht gemäß, und nicht so zu beurtheilen belieben, als wann er dem drucke überlieffert, oder den Augen derer HErrn Wortgrübler vorgelegt werden sollen.«