[… ]| [… ]Ich habe in den Zeitungen von dem Angebot gelesen, dass man Ihnen mit dem Königreich
von Korsika Korsika gehörte seit dem 14. Jh. zum Herrschaftsgebiet der Republik Genua. Anfang
des 18. Jhs. kam es zu ersten Aufständen für ein unabhängiges Korsika. Ein Jahr lang
war Korsika Königreich unter dem deutschen Baron Theodor von Neuhoff (um 1694–1756).
Dann fiel es wieder an die Genueser. Ab 1755 kämpfte der korsische Revolutionär Pasquale
Paoli (1725–1807) für ein von Genua unabhängiges Korsika (Constitution corse Novembre
1755), und bis zu ihrer Übernahme 1764 durch die französische Krone, im Einverständnis
mit der Republik Genua, blieb die Insel in Teilen unabhängig. {Zur korsischen Verfassung,
cfr.: #283 Eisenmenger, 2010: 430–446, zur Offerte Korsikas: 432.} {Und auch die
Geschichte Korsikas war in der Bibliothek der Markgräfin präsent: #137 Catalogue
des Livres, [vor 1758]: Livres d’Histoire. In Octavio. Bl. 18r, «Histoire des révolutions
de l'île de Corse, La Haie 1738».
Zum Angebot der Krone an Friedrich II.: #287
Politische Correspondenz, Bd. 11: 348, Nr. 7041.} gemacht hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Selbst die Barbaren lassen Ihrem
Verdienst Gerechtigkeit widerfahren. Ich wünschte, dass ganz Italien die gleiche Entscheidung
träfe. Wir würden dort das Zeitalter der Cäsaren wiedergeboren sehen. Ich entschuldige
mich, einen großen Fehler Ihnen gegenüber begangen zu haben, mein teurer Bruder. Dieser
Fehler hat den himmlischen Zorn auf mich gezogen. Die Krankheit, die ich gerade ausgestanden
habe, ist eine Bestrafung dafür. Als ich in Neapel war, begab ich mich eines Tages
zu einem Berg, wo es eine Menge alter Ruinen gab. Ich sah in einiger Entfernung die
Überreste eines Grabmals. Ich nähere mich. Aber wie groß ist meine Überraschung! Eine
Stimme kommt aus dem Grunde dieser Pyramide, die mich bei meinem Namen ruft. „Komm
näher“, sagt sie zu mir. „Ich bin Vergil. Ich ward’ geboren, um Helden zu besingen.
Um meinen Eifer zu belohnen, haben die Götter mich in einen Lorbeerbaum verwandelt,
den größten der Sterblichen zu krönen, da ich ihn nicht mehr besingen kann. Dir ist
diese Ehre vorbehalten.“ Die Stimme erstarb. Ich sammelte schnellstens einige Zweige
von diesem wundersamen Baum. Kaum hatte ich daraus eine Krone geformt, da starb er
ausgetrocknet ab. Eine leuchtende Inschrift erschien auf der Pyramide. Sie war in
Versen, dies ist ihr Sinngehalt: „Mein Schatten verlässt diesen Aufenthaltsort für
immer. Denn kein einziger Sterblicher wird mehr meiner Lorbeeren würdig sein.“ {In: #4 Œuvres Frédéric, 1846-1857: 324} merkt der Hrsg. an, dass diese Passage
an den „Vers, der einen (am 30. Mai 1755) an Virgils Grab gepflückten Lorbeerzweig“
erinnere. Diese Verse wurden ohne Angabe des Autors in «Mercure de France», Jan. 1756,
Bd. 2: 20, und, mit einer Zuschreibung an Voltaire, in dergleichen Zeitung im Sep.
1768: 5 abgedruckt und daraufhin in verschiedene Werkausgaben aufgenommen. La Condamine
reklamierte sie jedoch wohl zu Recht für sich. {Siehe: #292 Mémoires sur Voltaire,
1826, Bd. 2: 415, Anm.} Meine Bediensteten haben die Schachtel eingepackt, worin diese kostbare Reliquie
mit mehreren anderen Sachen, die ich gerade empfangen habe, war. Vergil, über meine
Unaufmerksamkeit verärgert, ist mir erschienen, und drohte mir den Zorn der Götter
an, würde ich nicht unverzüglich seinen Befehlen gehorchen. Ich schicke Ihnen, mein
teurer Bruder, diese Wunderkrone, die Ihnen zweifach zusteht: als Schüler von Apollon
und von Mars. Mit aller erdenklichen Zuneigung und Hochachtung bin ich,