[… ]| [… ]Sie müssen wohl, mein lieber Bruder, den Zauberstab der Feen haben, da Sie in so weniger Zeit eine so große Sammlung von Gemälden angehäuft haben – vor allem die beiden von Correggio. Von seiner Manier habe ich auf meiner ganzen Reise nur ein kleines Gemälde gesehen Es handelte sich hier wohl um eine der zahlreichen Kopien von Correggios „Ecce Homo“, um 1526/1527, heute: London, National Gallery. Dies geht aus der Liste der Gemälde, die Wilhelmine auf Ihrer Reise gesehen hat, hervor: {cfr.: #285 GStA PK [„Gemäldeliste“], o. J.: BPH, Rep. 46, W Nr. 26, fol. 98v-99r, hier: fol. 99v .}., da ich nicht in Mailand gewesen bin, welches der einzige Ort in Italien ist, an dem sich welche befinden. Ich wage es erneut, mir die Freiheit zu nehmen, Ihnen Mengs zu empfehlen, der nach dem Eingeständnis aller Kenner einer der größten Männer ist, die es je gab, und den man mit Raffael auf eine Stufe stellt. {Am 17. März 1756 übermittelt Friedrich II. George Keith, Earl Marischal, den Wunsch zwei Gemälde von Mengs zu erhalten, die „Erziehung des Adonis“ und „Teiresias“. Cfr.: #286 Œuvres Frédéric, 1879–1939, Bd. 20, Teil 15: 294–295, #5 friedrich.uni-trier.de: 20/294/text/ und 20/295/text/. [dt. Übersetzung: „Ich danke Ihnen tausendmal für die Mühe, die Sieunternommen haben, um mir ein Gemälde von Pompeo zu besorgen. Ich wäre sehr verlockt, zwei von Mengs und einen von Costanzi zu haben. Diese beiden von Mengs könnten die Erziehung von Adonis und die von Tiresias sein.“] Es ist wahrscheinlich, dass dies auf die mit Nachdruck formulierte Anregung seiner Schwester geschah. Es ist nicht bekannt, dass die Gemälde je ausgeführt wurden.} Nach meinen wenigen Kenntnissen würde ich ihn vorziehen, weil seine Farbgebung viel schöner ist. Wilhelmine hat während ihrer Reise eventuell Mengs originalgroße Kopie von Raffaels „Schule von Athen“ in der Stanza della Segnatura im Vatikan gesehen, die der Künstler zwischen 1752 und 1755 für Hugh Smithson Percy, 1st Duke of Northumberland, anfertigte. Sie hätte damit einen direkten Vergleich von Raffael und Mengs gehabt. Heute befindet sich die Kopie im Victoria & Albert Museum in London: {cfr.: #101 Roettgen, 1993: 11–13, Fig. 2: 13.} Ich erhielt glücklicherweise meine kleinen Einkäufe aus Italien. Ich habe ein kleines Bild von Florentiner Handarbeit gefunden, das ich durch Zufall erwarb. Obwohl es nicht von erster Güte ist, nehme ich mir die Freiheit, es Ihnen zu schicken. Wilhelmine schreibt hier von einer Steinschneidearbeit, die sich bisher nicht in der Sammlung Friedrichs II. identifizieren ließ. Zwei solcher Bilder, eine Kopie nach Raffaels „Venus zeigt Cupido die Psyche“ (1757) und eine nach Carlo Marattis „Madonna del´Orologio“ (1758), bestellte Friedrich II. über seinen röm. Residenten Giovanni Coltrolini bei dem Mosaizisten Alessandro Cocchi in Rom. Es ist unmöglich, etwas davon zu bekommen, wegen der schrecklichen Verbote des Kaisers, der die Werkstatt auf seine Kosten unterhält. Das Opificio delle Pietre Dure in Florenz war im Palazzo degli Uffizi untergebracht und unterstand direkt Franz Stephan von Lothringen. Ich hoffe, dass es einen kleinen Winkel in der Galerie wird ausfüllen können. Denn man sah nichts dergleichen in Deutschland, außer in Wien. Wenn man eine Menge unterschiedlicher Steine hätte, wäre es einfach, es nachzumachen. Aber es bedarf ganzer Lager, um die Schattierungen hervorzusuchen. Die Gazetten sind voll von beängstigenden Vorkommnissen. Das Unglück in Lissabon Das Erdbeben am 1. November 1755 zerstörte Lissabon weitgehend und verursachte geschätzt zwischen 30.000 bis 100.000 Tote. {Cfr.: #215 Gazette (Paris), 1755, Nr. 47, 22. November 1755: 566–568.} {Cfr.: #223 Mercure de France, 1755: 241–244.} lässt einen erzittern. Wunder werden auch von einem See in Ihrem Land berichtet. Also viele Themen für die Herren Physiker. Alle unsere Pedanten sagen, dass der Cäsars Komet auf dem Weg sei, um uns in Glas zu verwandeln. Der Komet Cäsars erschien 44 v. Chr. sieben Tage lang am nordöstlichen Himmel Roms. Die Bezeichnung des Kometen als "sidus Iulium" geht wahrscheinlich auf eine Ode des Dichters Horaz aus dem Jahr 24 v. Chr. zurück. Der Komet galt als Gestirn des vergöttlichten Julius Cäsar. {Cfr.: #222 Fleischhacker, o. J.: 1–3, hier: 3 mit Anm. 6.} Ich finde diese Idee sehr unterhaltsam, wenn es denn schon ans Ende geht, ist es besser in eine Statue aus Glas verwandelt als von den Würmern verspeist zu werden. Ich stelle mir sogar vor, dass in einigen tausenden Jahren die Erde ihre alte[? ]Form wieder annehmen wird und dass ich dann zur Dekoration in einem Kabinett oder einem Garten aufgestellt werde. Wer weiß, ob nicht die neuen Bewohner der Erde uns wie Gottheiten anbeten werden. Aber ich vergesse, dass ich Sie, mein liebster Bruder, mit meinen Verrücktheiten langweile. Ich lasse die Zukunft, um die Gegenwart zu genießen, indem ich Ihnen meine Zuneigung und der tiefen Hochachtung versichere, mit welcher ich bin,